Okklusionstraining in der Physiotherapie
— PhysioWerk
Nach einer Knie-OP, etwa wegen eines gerissenen Kreuzbands, spielt gezieltes Krafttraining eine entscheidende Rolle. Das Ziel: die Kraft der Muskeln des operierten und auch des nicht operierten Beins zu stärken und gleichzeitig die allgemeine Fitness zu verbessern.1 Krafttraining gilt als eine der effektivsten Methoden dafür. Doch so wichtig es auch ist, Krafttraining ist ein weites Feld mit vielen verschiedenen Ansätzen – die Herausforderung besteht darin, in diesem Dschungel der Möglichkeiten eine passende Trainingsmethode zu finden.
Was ist überhaupt Okklusionstraining?
Wenn Sie gemeinsam mit Ihrer Physiotherapeutin oder Ihrem Physiotherapeuten die für Sie
optimale Trainingsmethode auswählen, könnte Ihnen das sogenannte Okklusionstraining –
auch bekannt als Blood Flow Restriction (BFR) Training – begegnen. Diese Methode hat in den
letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit gewonnen, da sie verspricht, Muskelwachstum und
Kraft effektiv zu fördern. Die Grundidee besteht darin, gezielt die Blutzufuhr zu dem trainierten
Körperteil zu verringern. Dadurch entsteht in den entsprechenden Muskeln ein spezielles
Stoffwechselmilieu, das es ermöglicht, schon mit leichten Gewichten und geringer
Trainingsbelastung effektiv Muskelkraft und -wachstum zu steigern.2 Studien und
Übersichtsarbeiten, wie die von Wortman et al., unterstreichen diesen Ansatz.3 In diesem
Blogbeitrag wollen wir einigen wichtigen Fragen nachgehen: Welche physiologischen
Mechanismen verbergen sich hinter BFR-Training? Wie solide sind die Forschungsergebnisse?
Ist die Methode sicher und gibt es bestimmte Patientinnen und Patienten, die besonders davon
profitieren können?
Fact or Fiction?
Die physiologischen Prozesse, die durch das BFR-Training angeregt werden und für Kraft- und
Muskelwachstum sorgen sollen, sind gut beschrieben. Einfach ausgedrückt: Die
vorübergehende Blockierung des Blutflusses in den trainierten Muskeln führt dazu, dass sich in
diesen Bereichen Blut ansammelt. Das wiederum führt dazu, dass die Zellen anschwellen, und
die Muskeln geraten in einen Zustand mit geringer Sauerstoffverfügbarkeit – eine sogenannte
hypoxische Umgebung. Dieser Zustand regt die Produktion bestimmter Hormone und Proteine
an, wie Hitzeschockproteine und mTOR, die das Muskelwachstum fördern, während
wachstumshemmende Stoffe wie Myostatin, in ihrer Wirkung eingeschränkt werden.
Gleichzeitig vermehren sich spezielle Zellen die Reparaturprozess und den Aufbau von
Muskelfasern unterstützen.4 Allerdings bleiben viele dieser Prozesse bislang theoretisch. Das
heißt, sie sind zwar gut beschrieben, aber nicht abschließend bewiesen.
Sicherheit geht vor
Die genauen Wirkmechanismen des BFR-Trainings sind zwar noch nicht vollständig geklärt,
doch es gibt Hinweise darauf, dass diese Trainingsmethode durchaus effektiv ist.5 Was jedoch
bleibt, sind Fragen zur Sicherheit und einige praktische Herausforderungen. Eine der größten
Hürden beim BFR-Training ist die richtige Bestimmung des Manschettendrucks sowie die Wahl
der passenden Trainingsbelastung. Manche Patientinnen und Patienten empfinden das BFRTraining
als besonders anstrengend oder sogar schmerzhaft, was sich negativ auf ihre
Motivation auswirken kann.3 6 7 Es gibt außerdem wenige Berichte, in denen nach
Trainingseinheiten erhöhte Kreatinkinase-Werte (CK) – ein Hinweis auf Muskelschäden –
gemessen wurden.8 Loenneke et al. kommen in ihrer Studie zu dem Schluss, dass BFR-Training
grundsätzlich sicher ist, wenn es korrekt angewendet wird.5 Insgesamt scheint BFR-Training
also eine sichere Methode zu sein, aber wie bei jeder Trainingsmethode sollten auch hier
mögliche Risiken berücksichtigt werden. Die Forschung zeigt auch, dass die klassischen
Krafttrainingsmethoden ebenso wirksam sind wie BFR-Training.9
Schritt für Schritt zum Ziel
Nun stellt sich natürlich die Frage, für wen BFR-Training besonders geeignet ist. Diese
Trainingsmethode hat sich als besonders effektiv für Patientinnen und Patienten in der
Rehabilitation erwiesen, die sich von Verletzungen oder einer OP erholen und noch keine
schweren Gewichte heben dürfen.2 10 Für diese Gruppe kann BFR-Training eine sehr gute
Möglichkeit sein, Kraft aufzubauen oder zu erhalten, bis die vollständige Genesung erreicht ist.
Es bleibt jedoch wichtig, potenzielle Risiken im Auge zu behalten, passende Technologien zu
wählen und die richtige Trainingsbelastung zu bestimmen. Wie schon erwähnt, ist die
Motivation ein Schlüssel zum Erfolg – da das Training als anstrengend und teils schmerzhaft
empfunden wird, kann es hilfreich sein, die Patientinnen und Patienten langsam an BFR
heranzuführen. So wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie langfristig dranbleiben und ihre
Trainingsziele erreichen.
Weiterführende Literatur
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