
Mit leeren Speichern zur Bestzeit – Bringt eine gezielte Glykogenentleerung wirklich einen Leistungsvorteil?
Was ist mit der Entleerung von Glykogenspeichern gemeint?
Um zu verstehen, worum es geht, schauen wir uns zuerst die Grundlagen an: Glykogen ist die gespeicherte Form von Kohlenhydraten im Körper. Es wird in der Muskulatur und der Leber gespeichert und dient als schnelle Energiequelle bei intensiver Belastung. Die Idee hinter der Glykogenentleerung besteht darin, die Verfügbarkeit dieser Kohlenhydrate gezielt zu reduzieren, um dadurch bestimmte Anpassungsprozesse im Stoffwechsel zu fördern.
Wenn der Körper weniger Glykogen zur Verfügung hat, wird er gezwungen, auf andere Energiequellen wie Fett zurückzugreifen. Dies soll die Fettverbrennung und die mitochondriale Biogenese (die Bildung neuer Kraftwerke in den Zellen) anregen und dadurch die Ausdauerleistung langfristig verbessern. Studien zeigen, dass die Glykogenentleerung die Aktivierung bestimmter Gene fördert, die die Fettverbrennung und die Nutzung von Fettsäuren als Energiequelle verbessern.
Die Durchführung dieser Strategie kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:
- Training auf nüchternen Magen – beispielsweise eine morgendliche Trainingseinheit, bevor gegessen wird.
- Back-to-back-Training – hierbei wird nach einer intensiven Trainingseinheit keine Kohlenhydratzufuhr vorgenommen, um die Glykogenspeicher nicht wieder aufzufüllen, bevor die nächste Einheit beginnt.
- „Sleep-Low“-Strategie – nach einem intensiven Training am Abend wird keine Kohlenhydratzufuhr vorgenommen, sodass die Nacht in einem glykogenarmen Zustand verbracht wird.
Führt das wirklich zu einer Leistungssteigerung?
Hier wird es kompliziert – die Studienlage ist gemischt. Während einige Untersuchungen zeigen, dass die Glykogenentleerung die Fettverbrennung und die mitochondriale Funktion verbessert, bleibt der direkte Einfluss auf die sportliche Leistung unklar. Interessanterweise könnte der Nutzen dieser Strategie weniger mit der Fettverbrennung selbst, sondern mehr mit dem daraus resultierenden Gewichtsverlust zusammenhängen. Ein geringeres Körpergewicht verbessert die Laufökonomie – insbesondere bei Sportarten wie Laufen, bei denen jedes zusätzliche Kilogramm die Leistung beeinflussen kann.
Wenn Forschende die aktuelle Studienlage zu einem bestimmten zusammenfassen wollen, ist eine systematische Übersichtsarbeit eine etablierte Methode. Eine solche Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2021 kam zu dem Ergebnis, dass nur wenige Studien eine tatsächliche Leistungssteigerung nachweisen konnten. Bei der Mehrheit der einbezogenen Studien zeigte sich hingegen kein deutlicher Effekt. Eine Herausforderung bei der Zusammenführung der Studien ist, dass sie teils methodisch unterschiedlich angelegt sind. Damit sind zum Beispiel Unterschiede in der Zahl der Teilnehmenden, die Dauer der Studie oder auch die Trainingsprotokolle der Teilnehmenden gemeint. Durch solche Unterschiede ist es schwierig, eine eindeutige Empfehlung für Athletinnen und Athleten abzuleiten.
Ein weiteres Problem: Die meisten Studien zu Ernährungsstrategien sind schwer zu verblinden. Bei der Verblindung geht es darum eine Studie so zu gestalten, dass die Teilnehmenden nicht wissen, ob sie in der Testgruppe oder der Kontrollgruppe sind. Das bedeutet, dass die Athletinnen und Athleten wissen, ob sie Kohlenhydrate zu sich genommen haben (Kontrollgruppe) oder nicht (Testgruppe). Dies macht es schwer den Einfluss eines Placebo-Effekts auf die Studienergebnisse auszuschließen. Der Placebo-Effekt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die bloße Erwartung einer Leistungssteigerung durch die untersuchte Ernährungsstrategie einen psychologischen Vorteil gegenüber der Kontrollgruppe verschaffen könnte. Vereinfacht gesagt – der Placebo-Effekt könnte die Studienergebnisse verzerren.
Ist die Strategie also sinnvoll oder nicht?
Ob die Glykogenentleerung tatsächlich ein sinnvoller Ansatz ist, hängt stark vom individuellen Athleten ab. Wenn ein Sportler diese Strategie ausprobieren möchte und sich dabei gut fühlt, könnte der psychologische Effekt in Kombination mit den metabolischen Anpassungen einen kleinen Vorteil bringen.
Allerdings sollte diese Methode nicht als alleinige Strategie zur Leistungssteigerung betrachtet werden. Die individuelle Verträglichkeit, die Regenerationsfähigkeit und die allgemeinen Ernährungsbedürfnisse spielen eine große Rolle. Einige Athleten reagieren auf ein Training mit niedrigen Glykogenspeichern mit erhöhtem Stress oder einer schlechteren Regeneration – was die Leistungsfähigkeit auf lange Sicht eher beeinträchtigen könnte.
Für Athletinnen und Athleten, die die Glykogenentleerung nicht gut vertragen oder davon keinen Vorteil spüren, gibt es zahlreiche alternative Ansätze:
- High-Fat-Diät (HFAT) – eine kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung zur Anpassung an eine bessere Fettverbrennung.
- Ketogene Ernährung – eine sehr kohlenhydratarme Ernährung, die den Körper in einen Zustand der Ketose versetzt.
- Low-Carb-High-Fat-Diät (LCHF) – ein moderater Ansatz mit reduzierten Kohlenhydraten und erhöhtem Fettanteil.
- Proteinreiche Ernährung – insbesondere für Kraftsportler sinnvoll, um die Muskelregeneration zu fördern.
Fazit
Die gezielte Entleerung der Glykogenspeicher kann unter bestimmten Bedingungen ein interessantes Werkzeug zur Leistungssteigerung sein – vor allem dann, wenn der Athlet gut darauf anspricht und sich davon einen Vorteil verspricht. Allerdings ist die Studienlage nicht eindeutig, und die Strategie birgt auch Risiken – insbesondere, wenn die Regeneration darunter leidet oder der Athlet unter Energiemangel leidet.
Die Entscheidung, ob ein systematisches Training mit entleerten Glykogenspeichern sinnvoll ist, sollte daher immer individuell getroffen werden – am besten in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Trainer oder Ernährungsberater. Und letztlich bleibt es eine Frage des persönlichen Wohlbefindens und der Reaktion des Körpers auf diese anspruchsvolle Ernährungsstrategie.
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Für die besonders Interessierten:
Gejl, K. D., & Nybo, L. (2021). Performance effects of periodized carbohydrate restriction in endurance trained athletes – a systematic review and meta-analysis. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 18(1), 37. https://doi.org/10.1186/s12970-021-00435-3
Impey, S. G., Hearris, M. A., Hammond, K. M., Bartlett, J. D., Louis, J., Close, G. L., & Morton, J. P. (2018). Fuel for the Work Required: A Theoretical Framework for Carbohydrate Periodization and the Glycogen Threshold Hypothesis. Sports Medicine, 48(5), 1031–1048. https://doi.org/10.1007/s40279-018-0867-7
Knuiman, P., Hopman, M. T. E., & Mensink, M. (2015). Glycogen availability and skeletal muscle adaptations with endurance and resistance exercise. Nutrition & Metabolism, 12(1), 59. https://doi.org/10.1186/s12986-015-0055-9
Marquet, L.-A., Brisswalter, J., Louis, J., Tiollier, E., Burke, L. M., Hawley, J. A., & Hausswirth, C. (2016). Enhanced Endurance Performance by Periodization of Carbohydrate Intake: “Sleep Low” Strategy. Medicine & Science in Sports & Exercise, 48(4), 663–672. https://doi.org/10.1249/MSS.0000000000000823
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